Für die Winzer in Baden war das Jahr bisher extrem herausfordernd, der Jahrgang 2021 verspricht trotzdem eine sehr gute Qualität: Die genossenschaftliche Lesemenge wird mit rund 63 Millionen Litern deutlich geringer ausfallen als 2020. „Wir erwarten alles in allem sehr gute Weine aber deutlich geringere Mengen als im langjährigen Schnitt“, berichtet Dr. Roman Glaser, der Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), in den Räumen der Oberkircher Winzer eG in Oberkirch (Ortenaukreis). Er lobt insbesondere den enormen Einsatz der vielen genossenschaftlichen Winzerinnen und Winzer in diesem extrem arbeitsintensiven Weinjahr. Die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie sind derweil immer noch an den Absatz- und Umsatzzahlen abzulesen.
Die Pandemie hatte auf fast alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens einen großen Einfluss. Die Weinbau-Betriebe waren stark durch die Schließung von Gaststätten und den Wegfall von Veranstaltungen betroffen. „Umso mehr hat es uns gefreut, dass mit kreativen Ideen wie etwa virtuellen Weinproben auch neue Absatzkanäle durch die Genossenschaften erschlossen wurden“, lobt BWGV-Präsident Glaser. „Mit den Öffnungen im Gaststättenbereich und ersten erfolgreich durchgeführten Weinfesten hoffen wir auf einen Schritt in eine weitgehende Normalität.“ Glaser rechnet zudem damit, dass die Pandemie auch zu einer gewissen Renaissance von Genossenschaften führen wird. „Die Menschen merken, wie wichtig und wertvoll regional tätige Unternehmen sowie vor Ort erzeugte Produkte sind. Genau das leisten unsere Genossenschaften“, betont der Präsident des BWGV. Zudem sei eine Bündelung der Kräfte, wie sie Genossenschaften für die vielen Winzer leisten, in solch wirtschaftlich herausfordernden Situationen wichtiger denn je. Etwa zwei Drittel der Rebflächen in Baden werden von Genossenschaften und deren Mitgliedern bewirtschaftet. Glaser rechnet damit, dass dieser Wert in den kommenden Jahren stabil bleibt.
70 Winzergenossenschaften in Baden erwarten 63 Millionen Liter
Nach derzeitigen Schätzungen dürfte die Lesemenge der 70 Winzergenossenschaften (WG) in Baden bei 63 Millionen Litern liegen. Im Vorjahr haben die badischen Genossenschaften noch 85,4 Millionen Liter in die Keller eingebracht. Der Ertrag 2021 könnte bei 62 Hektolitern je Hektar Rebfläche liegen (2020: 83,6 hl/ha), was rund 25 Prozent weniger als im Vorjahr wären. Die durchschnittlichen Mostgewichte sehen wie folgt aus: Müller-Thurgau hat 76 Grad Oechsle, Weißburgunder und Grauburgunder zwischen 80 und 85 Grad Oechsle. Die Spätburgunder liegen im Schnitt bei gut 80 Grad Oechsle.
Die Weinlese beschließt in 2021 ein für die Winzer ausgesprochen herausforderndes und arbeitsreiches Jahr. Die Hauptlese hat vielerorts vergangene Woche begonnen. Der viele Regen und andauernd kalte Temperaturen – vor allem der Frost nach Ostern – haben die Ertragserwartungen gedämpft. Zwar sind nicht alle Regionen von Frostschäden und Pilzbefall betroffen, dennoch gibt es in manchen Lagen erhebliche Ernteeinbußen. „Während es im Norden des Anbaugebiets Baden kaum Frostschäden gibt, verzeichnen manche Lagen in der Mitte und im Süden des Anbaugebietes frostbedingte Ausfälle von 20 bis 80 Prozent“, berichtet BWGV-Generalbevollmächtigter Dr. Ansgar Horsthemke. Gerade die Ortenau erlitt ungewohnt heftige Frostschäden, die neben kalten Temperaturen insbesondere durch Schneeregen vor der Frostnacht verursacht wurden. Regional waren zudem Schäden durch Hagel zu verzeichnen – insbesondere im Markgräflerland und am Bodensee. „Insgesamt nehmen wir im Gespräch mit unseren Winzergenossenschaften wahr, dass die Erntemengen im Vergleich zum Vorjahr spürbar geringer ausfallen werden – etwa 25 Prozent“, berichtet Horsthemke weiter. „Trotz allen Widrigkeiten, die das Jahr 2021 für die Winzer mit sich gebracht hat, bleibt die Weinlese doch der Höhepunkt des Weinjahres, an dem man die Früchte der Arbeit eines ganzen Jahres ernten kann.“
Rückgänge bei Absatz und Umsatz im ersten Halbjahr durch Corona
Der Absatz der badischen Winzergenossenschaften verringerte sich im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,7 Millionen auf 42,7 Millionen Liter Wein und Sekt (minus 1,6 Prozent). Der Umsatz ging im gleichen Zeitraum um 2,8 Millionen Euro auf 121,2 Millionen Euro (minus 2,2 Prozent) zurück. Hauptgrund dieser Entwicklung waren die zum Teil massiven Auswirkungen der Corona-Pandemie. Genossenschaften, die vor allem den Lebensmittel-Einzelhandel beliefern, hatten kaum oder gar nicht mit Rückgängen zu kämpfen, Betriebe, die auf die Gastronomie ausgerichtet sind, wurden dagegen teilweise hart getroffen. Da weiterhin viele Veranstaltungen und Feste wegen Corona ausfallen, dürfte auch das zweite Halbjahr noch von Corona geprägt sein. Im Gesamtjahr 2020 haben die badischen Winzergenossenschaften 84,2 Millionen Liter Wein und Sekt verkauft (minus 2,6 Millionen Liter beziehungsweise 3,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Der Umsatz sank um 5,4 Millionen Euro (2,1 Prozent) auf 249,7 Millionen Euro. In Baden arbeiten 70 Winzer-genossenschaften, darunter 31, die ihre Weine im eigenen Keller ausbauen. Die Zahl der Mitarbeiter liegt bei 963. Die genossenschaftliche Rebfläche in Baden ist 2020 um 8 Hektar auf 10.209 Hektar gestiegen. Dies entspricht etwa 65 Prozent der Gesamtfläche. Im Jahr 2020 gab es keine Fusionen. 2021 bahnt sich bisher ebenfalls kein Zusammenschluss in Baden an.
Oberkircher Winzer setzen strikt auf Qualität
Mit gemischten Gefühlen blicken die Verantwortlichen der Oberkircher Winzer eG, die Gastgeber-Genossenschaft der diesjährigen Wein-Pressekonferenz, auf die Weinlese 2021. „Die Qualitäten sind zwar gut, aber bei den Mengen liegen wir sehr deutlich unter dem Vorjahr und den Werten einer normalen Lese“, berichtet Markus Ell, geschäftsführender Vorstand der Genossenschaft. „2021 erleben wir ein absolutes Ausnahmejahr. Die ansonsten frostsicheren Steillagen wurden im April von hier noch nicht gekannten Schäden heimgesucht“, berichtet Ell. „Auf den in Oberkirch vorherrschenden südlich exponierten Hanglagen mit den leicht erwärmbaren Granitböden war die Vegetation schon etwas weiter fortgeschritten als in anderen Regionen, so dass der Kälteeinbruch nach Ostern viele im Aufbruch befindlichen Knospen erfrieren ließ.“ Gerade die Hauptsorte Spätburgunder sei davon stark betroffen. Eine Ernteschätzung gestalte sich schwierig, da sich das Schadensausmaß praktisch von Rebe zu Rebe unterscheide. „Wir erwarten eine Lesemenge von 50 bis 65 Prozent eines Normaljahres, was die kleinste Ernte der vergangenen vier Jahrzehnte darstellen würde“, sagt Ell. In normalen Jahren lesen die Oberkircher zusammen mit den Winzern der Hex vom Dasenstein gut sieben Millionen Kilogramm Trauben. „Die gut mit Wasser versorgten Böden und die geringen Erträge lassen aber vor allem bei Weiß- und Roséweinen hochinteressante Qualitäten erwarten.“
400 Winzer-Familien bilden den drittgrößten Weinerzeuger Badens
Die 1951 gegründeten Oberkircher Winzer sind 2018 erfolgreich mit dem Winzerkeller Hex vom Dasenstein (gegründet 1934 in Kappelrodeck) fusioniert. Zusammen bewirtschaften die 400 Winzer-Familien der Genossenschaft eine Ertragsrebfläche von 672 Hektar – vor allem Granitverwitterungsböden und Steillagen. Damit ist die Oberkircher Winzer eG der drittgrößte Weinerzeuger Badens. Insgesamt zählt die Genossenschaft 755 Mitglieder. „Die äußerst mineralischen Böden in Verbindung mit dem Mikroklima sind einzigartige Voraussetzungen für außergewöhnliche Rot- und Weißweine, insbesondere aus den klassischen Sorten Spätburgunder, Riesling und Grauer Burgunder“, berichtet Ell. „Unsere Philosophie lautet, qualitativ anspruchsvolle Weine mit einem überdurchschnittlichen Preis-Leistungsverhältnis zu produzieren. Unsere Weine werden jedes Jahr bei verschiedenen Degustationswettbewerben hoch ausgezeichnet. Das motiviert uns immer wieder aufs Neue, das Beste aus unseren Trauben zu keltern“, erläutert der Geschäftsführer, der sein Amt im Frühjahr abgibt und sich innerhalb der Branche beruflich verändert.
In Ells Amtszeit fielen große und wichtige Investitionen wie der Neubau der Abfüllanlage, die Erneuerung der Gebäudeinfrastruktur und ein neuer Dampfkessel für 3,7 Millionen Euro im Jahr 2009 sowie der Neubau des VinoToRiums, des Barriquekellers und des Flaschenlagers 2017 für 3,6 Millionen Euro. Das VinoToRium wurde 2018 unter anderem mit dem „Badischen Architekturpreis für beispielhaftes Bauen“ ausgezeichnet. Der Beginn der Kooperation mit dem Winzerkeller Hex vom Dasenstein im Jahr 2012 und die spätere Fusion der Betriebe 2018 sind weitere Meilensteine. Für die Konzeption der Kooperation der Oberkircher Winzer eG und dem Winzerkeller Hex vom Dasenstein gab es damals den Landwirtschaftspreis für unternehmerische Innovation (LUI). Im Wirtschaftsjahr 2020/2021 hat die Oberkircher Winzer eG mit ihren 61 Mitarbeitenden rund fünf Millionen Liter Wein und Sekt verkauft und damit einen Umsatz von 18,6 Millionen Euro (2019/2020: 17,7 Millionen Euro) erzielt. Wie bei vielen Betrieben machte sich auch hier die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen bemerkbar.