Die Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie durch den deutschen Gesetzgeber im Frühjahr 2016 hatte zu Unsicherheiten der Kreditinstitute bei der Kreditwürdigkeitsprüfung geführt. Außerdem bestand die Sorge, dass Verbrauchern – insbesondere älteren Menschen – aus Gründen der Vorsicht Darlehen verweigert werden könnten, die eigentlich guten Gewissens hätten gewährt werden können. Die Regelungen wurden deshalb nunmehr durch eine Reihe neuer Regelungen „entschärft“. In den neuen im Sommer 2017 bereits in Kraft getretenen gesetzlichen Bestimmungen ist auch eine Ermächtigungsnorm für den Erlass einer Rechtsverordnung zu Leitlinien der Kreditwürdigkeitsprüfung enthalten. Für eine solche Rechtsverordnung (Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinienverordnung – ImmoKWPLV) gibt es mittlerweile einen Referentenentwurf.
Erwartungen an gesetzliche Erleichterungen der Kreditwürdigkeitsprüfung
Schon die Vielfalt der Lebenssachverhalte der Kreditnehmer und der Finanzierungsmöglichkeiten lassen es eigentlich kaum zu, die für eine Kreditentscheidung erforderliche Kreditwürdigkeitsprüfung konkret und hinreichend verbraucherschützend zu regeln. Der deutsche Gesetzgeber muss hierbei – auch im Interesse der Banken – die Umsetzung der EU-Richtlinie im Auge behalten. Ansonsten kann es passieren, dass sich die Banken in vermeintlicher Sicherheit wiegen, die Vorschriften aber später richtlinienkonform durch deutsche Gerichte auch zum Nachteil der Kreditinstitute ausgelegt werden. Aufgrund der zivilrechtlichen Sanktionen für nicht ordnungsgemäße Kreditwürdigkeitsprüfungen erwarten die Banken ein gewisses Maß an Rechtssicherheit.
Anwendung wichtiger Neuerungen auf Fallbeispiele
Anhand dreier bisher problematischer Fallgestaltungen sollen wesentliche Änderungen veranschaulicht werden:
Beispiel 1: Ein Rentner mit geringer Rente möchte für die Reparatur der defekten Heizung seines Wohnhauses oder für die Kosten des Heimplatzes in einem Seniorenwohnheim, in das er umziehen möchte, ein Darlehen aufnehmen. Aus einem späteren Verkauf der unbelasteten, sehr werthaltigen Immobilie soll der Kredit zu einem späteren Zeitpunkt – vielleicht auch erst nach seinem Tod – zurückbezahlt werden. Die Rente reicht nur zum Lebensunterhalt und zur Abdeckung der Darlehenszinsen. Der Kredit soll durch eine Grundschuld auf der Wohnimmobilie des Rentners abgesichert werden. Kann der Kredit für die Heizung oder die Heimkosten gewährt werden?
Sowohl zur Finanzierung der Heizungsreparatur als auch zur Finanzierung der Heimkosten könnte die Bank auch einen sogenannten Immobilienverzehrkredit gewähren, der überhaupt nicht dem Verbraucherkreditrecht unterliegt (§ 491 Abs. 3 Satz 4 BGB). Eine Kreditwürdigkeitsprüfung wäre dann nicht erforderlich. Ein solcher Immobilienverzehrkredit setzt jedoch voraus, dass der Kredit grundsätzlich erst nach dem Tod des Kreditnehmers und nur durch Zahlung aus dem Verkaufserlös oder Erwerb eines Rechts an einer Wohnimmobilie getilgt wird. Eine persönliche Haftung des Kreditnehmers oder seiner Erben besteht dann nicht. Eine solche Rechtsgestaltung ist in Deutschland bisher nicht üblich, und es gibt hierzu auch keine genaueren gesetzlichen Regelungen. Da derzeit für diesen Vertragstyp vom DG-Verlag auch keine Formulare angeboten werden, hilft die Regelung zum Verzehrkredit nicht weiter.
Die Finanzierung der Heizungssanierung könnte als Renovierungsdarlehen nach dem neugefassten § 505b Abs. 2 Satz 3 BGB möglich sein: Zwar darf grundsätzlich auch weiterhin die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht hauptsächlich darauf gestützt werden, dass der Wert der Wohnimmobilie den Darlehensbetrag übersteigt, oder auf die Annahme, dass der Wert der Wohnimmobilie zunimmt. Eine Ausnahme gilt für Darlehen zum Bau oder zur Renovierung der Wohnimmobilie, wenn dadurch der Wert der Immobilie zunimmt (§ 505b Abs. 2 Satz 3 BGB).Die Reparatur oder auch der Austausch der Heizung dürfte als eine Renovierung der Immobilie angesehen werden. Zumindest auf den ersten Blick könnte bei einer Wertsteigerung der Wohnimmobilie durch die Heizungssanierung damit der Kredit gewährt werden, ohne dass es auch auf die Kapitaldienstfähigkeit des Rentners ankäme. Bei der Anwendung dieser Ausnahmevorschrift ist aber Vorsicht geboten, da sie nach der Gesetzesbegründung dem Darlehensgeber „nicht gestattet, alleine darauf abzustellen, dass der Wert des Grundstücks die bestehenden Verbindlichkeiten abdeckt, ohne dass der Darlehensnehmer in der Lage wäre, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen“. Die Ausnahmeregelung bietet daher in der Regel nur bei knapp gegebener Kapitaldienstfähigkeit eine Erleichterung.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine Kreditvergabe in beiden Fällen (Heizungsfinanzierung und Heimkostenfinanzierung) auch ohne die Ausnahmeregelung in § 505b Abs. 3 Satz 2 BGB gesetzlich erlaubt ist, wenn man die Kreditwürdigkeit nur auf den Erlös aus dem tatsächlich beabsichtigten Hausverkauf zu einem späteren Zeitpunkt stützt und wenn die laufenden Zinsen aus der Rente beglichen werden können bzw. Zinsen kreditvertragskonform sogar erst aus dem Verkaufserlös bedient werden sollen.
Streng genommen wird damit die Kreditwürdigkeitsprüfung jedenfalls mittelbar hauptsächlich auf den Wert der Immobilie gestützt. Andererseits muss es im Interesse des mündigen Verbrauchers möglich sein, bei einem von vornherein beabsichtigten Verkauf der Immobilie den zu erwartenden Erlös als Tilgungsleistung einzubeziehen. Die Tilgung des Darlehens aus dem Erlös eines bereits von Anfang an beabsichtigten Immobilienverkaufs stellt eine vertragsgemäße Leistung des Kunden dar. Eine Klarstellung zu dieser Thematik ist in den neuen Regelungen zur Erleichterung der Kreditwürdigkeitsprüfung allerdings nicht enthalten. Auch wenn der Gesetzgeber für die Substanzfinanzierung nur den Immobilienverzehrkreditvertrag vorsieht, dürfte es also im Sinne einer verantwortlichen Kreditvergabe in beiden Fällen zulässig sein, den Kredit zu gewähren.
Die Kreditgewährung scheitert nach der geplanten Rechtsverordnung auch nicht an einer geringen statistischen Lebenserwartung des Rentners. Nach der geplanten Rechtsverordnung spielt nämlich die Lebenserwartung bei der Kreditwürdigkeitsprüfung insgesamt keine Rolle mehr, solange der Kreditgeber keine konkreten Anhaltspunkte für ein Versterben des Darlehensnehmers während der Vertragslaufzeit hat oder es zumindest wahrscheinlich ist, dass der Darlehensnehmer zu Lebzeiten seinen darlehensvertraglichen Verpflichtungen nachkommen wird und der Immobilienwert hinreichende Gewähr für die Abdeckung der Darlehensverbindlichkeiten und etwaige Verwertungskosten bietet (§ 4 Abs. 3 Sätze 2 und 3 der ImmoKWPLV – Referentenentwurf). Diese klarstellende Regelung schafft auch für die Fälle mehr Sicherheit, in denen der Darlehensnehmer regelmäßige Zins- und Tilgungsleistungen zwar problemlos aus seiner Rente erbringen kann, die Darlehenslaufzeit aber über die Lebenserwartung hinausgeht.
Beispiel 2: Ein endfälliges Immobiliar-Verbraucherdarlehen (IVD) soll verlängert oder in ein Annuitätendarlehen als IVD umgeschuldet werden. Ist eine Kreditwürdigkeitsprüfung erforderlich?
Es handelt sich hier um eine echte Abschnittsfinanzierung. Für eine Anschlussfinanzierung bei demselben Kreditinstitut muss grundsätzlich keine erneute Kreditwürdigkeitsprüfung erfolgen, wenn die Anschlussfinanzierung keine wesentliche Erhöhung beinhaltet (§ 505a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB).
Eine Ausnahme besteht nur für die Fälle, in denen der Bank bereits bekannt ist, dass der Darlehensnehmer seinen Darlehensverpflichtungen dauerhaft nicht nachkommen kann. Damit muss die Bank nur noch prüfen, ob ihr solche Tatsachen bekannt sind (zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Abgabe der Eidesstattlichen Offenbarungsversicherung, noch bestehende Rückstände). Über die ihr bereits bekannten Tatsachen hinaus besteht für die Bank keine Nachforschungspflicht.
Beispiel 3: Eine Bank möchte bei einem IVD eine Ratenaussetzung gewähren oder einen bereits gekündigten IVD umschulden. Auch für Ratenaussetzungen oder Umschuldungen von Krediten führt die Regelung in § 505aAbs. 3 BGB zu mehr Rechtssicherheit bei der Kreditvergabe. ,Bisher war es zweifelhaft, ob bei Ratenaussetzungen eine Kreditwürdigkeitsprüfung erforderlich war und mit welchem Maßstabe diese zu erfolgen hatte.
Aus § 505a Abs. 3 Nr. 2 BGB lässt sich nunmehr ableiten, dass eine Kreditwürdigkeitsprüfung bei einer Ratenaussetzung grundsätzlich nicht mehr erforderlich ist, da die Vereinbarung den bisherigen Darlehensvertrag zur Vermeidung einer Kündigung oder zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergänzt. Eine Kreditvergabe wäre nur dann nicht zulässig, wenn die Bank bereits weiß, dass der Darlehensnehmer das Darlehen nicht zurückbezahlen kann.
Solange die Bank nichts von einer anhaltenden Zahlungsunfähigkeit des Kunden weiß, was bei gekündigten Krediten eher die Ausnahme sein dürfte, kann sie auch ein bereits gekündigtes Darlehen ohne Kreditwürdigkeitsprüfung umschulden. Denn damit wird dem Darlehensnehmer zum einen im Anschluss an einen bisherigen Darlehensvertrag zur Erreichung des bisherigen Zwecks ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt (§ 505a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB). Zum anderen wird der bisherige Darlehensvertrag zwischen den Parteien durch einen anderen Darlehensvertrag zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ersetzt (§ 505a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB).
Sonstige wesentliche Erleichterungen bei der Kreditwürdigkeitsprüfung durch die neuen Regelungen
Eine wesentliche Änderung besteht auch darin, dass es nur noch bei Wohnimmobilien grundsätzlich verboten ist, die Kreditwürdigkeitsprüfung hauptsächlich darauf zu stützen, dass der Wert der Immobilie den Darlehensbetrag übersteigt, oder auf die Annahme, dass der Wert der Immobilie zunimmt. Anders als bei der Abgrenzung zwischen AVD und IVD kommt es jetzt doch darauf an, ob es sich bei der Immobilie um eine Wohnimmobilie handelt oder nicht. Da das Gesetz nicht zwischen fremd- und eigengenutzten Wohnimmobilien unterscheidet, macht es hierbei keinen Unterschied, ob die Wohnimmobilie eigen- oder fremdgenutzt ist.
Die in der geplanten Rechtsverordnung (Immo-KWPLV) festgelegten Leitlinien zur Kreditwürdigkeitsprüfung bestätigen vieles, was bereits in den DGRV-Rahmenbedingungen zu § 18a KWG i. V. m. §§ 505 ff. BGB (Stand 22.07.2016) beschrieben wurde und in unseren Mitgliedsbanken umgesetzt wird. Insofern werden sich die Änderungsanforderungen in Grenzen halten.