Hohe Arbeitsbelastung, wirtschaftlicher Druck, sinkende Preise, fehlende Wertschätzung: Immer mehr Landwirte in Deutschland leiden unter psychischen Erkrankungen. Burn-out, Depression und andere Erkrankungen der Psyche sind mittlerweile die zweithäufigste Ursache für Erwerbsminderungen bei Landwirten. „Statistiken zeigen, dass 17 Prozent aller Landwirte, die sich krank melden, an einer Depression oder einem Burn-out leiden“, sagte Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), anlässlich des VR-Agrartags der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Sigmaringen.
„Ackerst Du noch oder lebst Du schon?“ Unter diesem Titel haben in der Stadthalle Sigmaringen rund 400 Landwirte und Vertreter der Volksbanken und Raiffeisenbanken aus der ganzen Region darüber diskutiert, welche Risikofaktoren zu psychischen Erkrankungen führen können und welche Möglichkeiten es gibt, diese zu verhindern. „Landwirte lieben ihren Beruf und kennen keine geregelte 40-Stunden-Woche“, sagte Glaser. Gleichzeitig werde das Umfeld immer herausfordernder. „Betriebe werden immer größer, die Nachfolge muss geregelt werden, die globalen Agrarmärkte sind geprägt von Unsicherheit sowie niedrigen und stark schwankenden Preisen, die bürokratischen Anforderungen werden stetig höher und die konventionelle und moderne Landwirtschaft sieht sich immer häufiger öffentlicher Kritik ausgesetzt,“ so der BWGV-Präsident. Diese Situation könne dazu führen, dass Landwirte an die Grenze der Belastbarkeit und darüber hinaus gehen.
Genossenschaftsbanken sind die Partner der Landwirtschaft
„Gerade in Krisensituationen, egal ob sie ökonomischer oder persönlicher Art sind, sind starke Partner unverzichtbar“, betonte Glaser und ergänzte: „Die Genossenschaftsbanken sind die starken und verlässlichen Partner der Landwirtschaft, auch über die rein finanziellen Angelegenheiten hinaus.“ Die regionale Nähe und die oftmals über Generationen bestehende Zusammenarbeit habe gegenseitiges Vertrauen aufgebaut. Glaser: „Die Volksbanken und Raiffeisenbanken wissen wie Landwirtschaft geht, sie wissen von den besonderen Herausforderungen der Branche und kennen die Landwirte und ihre Familien.“
Der BWGV-Präsident machte deutlich, dass „die Landwirtschaft für Baden-Württemberg kulturell und wirtschaftlich sehr wichtig ist und bei der Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln eine entscheidende Rolle einnimmt“. Diese verdiene Anerkennung und größten Respekt. „Auch wenn dahinter extrem viel Arbeit steckt, darf dies nicht dazu führen, dass die Gesundheit der Landwirte gefährdet ist.“
Den eigenen Burn-out schilderte beim VR-Agrartag Landwirt Michael Pelkum. Wie ist es, wenn man plötzlich im Krankenhaus ist, zur Ruhe kommen und trotzdem mit Hilfe der Familie den Betrieb am Laufen halten muss? Pelkum berichtete davon, welchen Lernprozess er durchgemacht hat, wie er nach dem Burn-out wieder zurückkam und wie er den Arbeitsalltag seither strukturiert.
Die verschiedenen Auslöser und Phasen zur Erschöpfung bei Landwirten stellte Maike Aselmeier in ihrem Vortrag „Wenn Landwirtschaft zum Ausbrennen führt: Wie kann man das Feuer bewahren?“ heraus. Sehr praxisorientiert zeigte die Landwirtin und Psychologin Maßnahmen auf, wie ein Ausbrennen verhindert werden kann. Dazu gehöre beispielsweise, für mehr Wertschätzung innerhalb des Betriebs zu sorgen und einen Rhythmus von Arbeits- und Freizeit einzuhalten.
Konkrete Tipps zum Zeitmanagement hatte Helma Ostermayer in Ihrem Vortrag vorbereitet. Darin machte die Sozialpädagogin deutlich, wie wichtig eine Priorisierung der verschiedenen Aufgaben ist. Eine gemeinsame Diskussionsrunde mit allen Referenten sowie Klaus Muggele, Vizepräsident des Landesbauernverbands Baden-Württemberg, rundete das etwa vierstündige Programm ab.